Ich sehe: Ein Loch, dunkel, eine Art Schacht. Ich schwebe darüber, es ist kein Boden erkennbar. Der Rand bröckelt, Kabel und Dämmmaterial sind stellenweise sichtbar. Einige Kabel sind abgeschnitten – also, wenn da noch Strom draufliegt, das ist doch total gefährlich - Ich gleite langsam, wie an einem Kran geführt, den Schacht hinunter. Entgegen der Abwärtsbewegung meines Körpers perlt in mir etwas hoch, wie Kohlensäure, es sammelt sich in meinen Wangen und Ohren, es drückt auf meine Augenbrauen. Die Lider lassen sich nicht schließen. Meine Augen schauen wie ein Messer durch die Dunkelheit. Das Aufperlen in meinem Körper wird gröber, wie übermäßige Darmtätigkeit, Schmerz mischt sich im Unterleib dazu, in gelegentlichen Schüben stärker werdend. Und stärker, und stärker. Ein Pickel beginnt sich unter meinem rechten Mundwinkel zu bilden.
Ich bin müde, aber gleichzeitig rastlos. Ich versuche, ruhig zu atmen, den Zustand zu akzeptieren, ihn nicht als etwas Feindseliges wahrzunehmen, das Gefühl des Schwebens nicht zu verlieren. In immer schnellerer Folge wechselt meine Aufmerksamkeit von meinem Unterleib in meinen Kopf und zurück und dann in eine Außensicht: auf meine abgekauten Fingernägel, meine Oberschenkel und mein Hohlkreuz, auf meine Zähne und meinen hauptsächlich noch unterirdischen Pickel.
Dann Erinnerungen an Begegnungen, Telefonate und Mails der letzten Tage, in denen ich Mißtöne und Verletzungen meine wahrgenommen zu haben. Die Vorstellung, dass meine Kolleginnen und Freunde sich über mich unterhalten und sich bestätigen, daß ich dumm, verrückt und aggressiv bin.
Ich zwinge mich, die Augen zu schließen und meine Aufmerksamkeit zu dezentrieren, mich zu öffnen. Weiteratmen. Etwas endet und endet, hört nicht auf zu enden. Um mich herum wird der Schacht weit, dehnt sich wie die allumspannende Vergänglichkeit, eine riesige unterirdische Höhle. Meine Füße setzen auf, ich stehe. Ein weicher feiner, lehmartiger Sand ist auf dem Boden, wie Heilerde. Der Geruch modrig. Ein wenig graues Licht erhellt die Höhle, in der ich mich befinde. Keine Ahnung, woher das Licht kommt.
Ich träufele mit einer Pipette einige Tropfen Rosenwasser auf den Boden. Kellerasseln verschwinden irgendwo hin. Ein paar Schritte entfernt von mir ein Haufen. Ich trete näher. Der Haufen bewegt sich. Es ist eine Schlange. Nein, es sind zwei Schlangen. Sie kämpfen, oder ist es ein Paarungsritual? Ich trete der einen Schlange gegen den Kopf. Sofort durchschneidet ein Schmerz meinen Unterleib, ich .. muss mich setzen.
(es folgt: Sarabande)